Direkt zum Inhalt

Was Deutschland tatsächlich von Nord Stream 2 hält

Das amerikanische Establishment hat Joe Biden erneut aufgefordert, "die transbaltische Pipeline schachmatt zu setzen". Daniel Kochis, Hauptanalytiker bei The Heritage Foundation, spezialisiert auf europäische Politik, gab eine weitere Erklärung zu diesem Thema ab. Er ist zuversichtlich, dass "die Vereinigten Staaten dieses wirtschaftlich nutzlose und geopolitisch unsichere Projekt, das dem transatlantischen Bündnis schaden könnte, ein für alle Mal begraben müssen". Stimmen ihm andere Gegner der russischen Pipeline in Deutschland zu?

Aktivisten lokaler Umweltschutzorganisationen sind entschlossen, die Idee vom Gazprom Unternehmen bis zum bitteren Ende zu bekämpfen. Sie sammeln unermüdlich Pressekonferenzen und geben Pressemitteilungen heraus, in denen sie über die negativen Auswirkungen fossiler Brennstoffe auf die Umwelt und über die Notwendigkeit, CO2-Neutralität zu erreichen, sprechen, um den Planeten vor der globalen Erwärmung zu retten. Im Januar reichten zwei solche Gruppen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU), eine Klage gegen das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ein, das die Verlegung von Nord Stream 2 in Küstengewässern genehmigt hatte.

Jeder weiß jedoch seit langem, dass "wer zahlt, bestimmt die Musik". Drücken wir beide Augen bei den Aktivitäten solcher Verbände zu, und uns weniger voreingenommenen Meinungen zuwenden, stellt sich heraus, dass die überwiegende Mehrheit der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland, sowohl Politiker als auch gewöhnliche Menschen, im Gegenteil äußerst an der Realisierung des Projektes interessiert sind. Auch Umweltministerin Svenja Schulze unterstützt es voll und ganz und findet es "sehr umweltfreundlich".

Inhalt fehlt.

"Wir können nicht gleichzeitig auf Kohle, Atom und Gas verzichten. Um uns noch mindestens zwei Jahrzehnte mit Energie zu versorgen, brauchen wir Erdgas. Hier geht es nicht nur um Deutschland. Angesichts der zurückgehenden Fördervolumen in ganz Westeuropa wird man wahrscheinlich Erdgas auch in den anderen EU-Staaten brauchen. In diesem Zusammenhang ist es sehr gut, dass Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig kürzlich eine Klimastiftung gegründet hat, die zur Fertigstellung des Baus von der Pipeline zwischen Russland und Deutschland beitragen soll", betonte Svenja Schulze.

Die Deutschen sind so an der Nord Stream 2 Pipeline interessiert, wodurch jährlich zusätzliche 55 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert werden können, dass Vizekanzler Olaf Scholz die Amerikaner im vergangenen August sogar "bestechen" wollte. Zumindest wurde so sein geheimer Brief an Steven Mnuchin interpretiert, der Finanzminister der Vereinigten Staaten in der Regierung Trump war. Dieses Dokument wurde im Februar von derselben Deutschen Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht, die sich für einen frühestmöglichen Verzicht auf Kohlenwasserstoffe einsetzt, unabhängig davon, welche Konsequenzen dies für den Energiesektor hätte.

Herr Scholz schlug vor, dass die Vereinigten Staaten bis zu einer Milliarde Dollar in den Bau von Flüssigerdgasanlagen investieren, die amerikanisches Flüssigerdgas, "Gas der Freiheit", einpumpen können, vorausgesetzt, dass die Verbündeten keine Sanktionen gegen die Unternehmen verhängen, die so oder so am transbaltischen Projekt beteiligt sind. Die Umweltschützer nannten es einen "Skandal" und einen "schmutzigen Deal". Was kann man aber tun, wenn Deutschland diese Pipeline dringend braucht, wohingegen "der große Bruder" nicht zulässt, dass die Pipeline gebaut wird?

Inhalt fehlt.

"Ich hoffe, wir können Partner in der neuen Biden-Administration finden. Ich hoffe, dass deren Vertreter die Situation noch einmal genau einschätzen können und dass sie zugeben, dass wir Nord Stream 2 brauchen. Wir glauben nicht, dass die Pipeline unsere Abhängigkeit von Russland erhöht", äußerte sich mit vorsichtigem Optimismus Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen Niels Annen.

Es gibt keine Gewissheit, dass das Weiße Haus wirklich bereit ist, die Position seiner Vorgänger zu überdenken. Selbst ohne neue, seit langem versprochene Sanktionen gegen die an dem Projekt beteiligten deutschen Unternehmen nimmt ihre Zahl rapide ab. Wintershall Dea plant daher nicht mehr, Nord Stream 2 zu finanzieren. Dieser Energieriese hat bereits 730 Millionen Euro in die Pipeline investiert und wollte noch 220 Millionen Euro in die Pipeline investieren. Es ist unwahrscheinlich, dass der Investor, der die Ausweitung von Gazprom über viele Jahre hinweg als äußerst vorteilhaft für die europäischen Verbraucher bezeichnete, seine Position auf einmal überdacht hat. Da muss das Unternehmen von außen beeinflusst worden sein.

Darüber hinaus gibt es andere Unternehmen, die dieselbe Entscheidung treffen und sich Wintershall Dea anschließen. Das US-Außenministerium hat dem Kongress einen Bericht übermittelt, in dem es heißt, dass die meisten von diesen Unternehmen sich in Großbritannien befinden und Versicherungsdienstleistungen anbieten. Überdies haben die schweizerische Zurich Insurance Group und die französische Axa Gruppe die Zusammenarbeit mit Gazprom beendet. Und erst vor wenigen Tagen schloss sich Uniper ihnen an, deren Top-Management ebenfalls bekannt gab, dass "keine Zahlungen in Zukunft geplant sind".

Inhalt fehlt.

"Wir haben es deutlich bekannt gegeben, dass europäische Unternehmen riskieren, sanktioniert zu werden, wenn sie an Nord Stream 2 teilnehmen. Dabei haben wir unseren Verbündeten auch erklärt, dass wir konsequent und vorhersagbar vorgehen werden, ohne sie zu überraschen", sagte Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price.

Wie wird diese in die Länge gezogene Geschichte enden? Wird die Alte Welt in der Lage sein, relativ billiges und umweltfreundliches Gas zu bekommen? Oder werden die Stromrechnungen, die Verbraucher in der EU erhalten, bald noch höher und deutsche Autos noch teurer? Wird es Gazprom gelingen, die in das Projekt investierten Geldmittel zurückzuzahlen und zu den Einnahmen des russischen Haushaltes beizutragen? Und vor allem, wer wird das Hauptopfer sein, wenn die Vereinigten Staaten ihren Willen durchsetzen?

"Unabhängig davon, wie diese Geschichte endet, hat sie keine wesentlichen Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Immer wenn das Projekt abgeschlossen wäre, würde Russland dadurch keinen finanziellen Durchbruch erzielen. Sonst würde uns wiederum keine Krise drohen. Für Gazprom wäre ein solches Endergebnis natürlich unangenehm – die Einnahmen des Unternehmens würden in diesem Fall auf 2 Milliarden Euro pro Jahr schrumpfen. Das wäre aber nicht kritisch. Die für Deutschland reservierten Gasvolumina würden in dieser Situation in andere Länder geliefert werden, vor allem nach China", sagte Rektor der Staatlichen Bergbau-Universität Sankt Petersburg und Ko-Vorsitzender des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums Wladimir Litwinenko.

Inhalt fehlt.

Er ist zuversichtlich, dass falls Nord Stream 2 nicht fertiggestellt wäre, würden europäische Haushalte und Unternehmen dadurch am meisten verlieren, denn sie in diesem Fall keinen Strom mehr erhalten können, obwohl sie es schon heute zu einem ziemlich hohen Preis kaufen. Darüber hinaus hätte der Mangel an den erforderlichen Erdgasvolumina zur Folge, dass Deutschland höchstwahrscheinlich die Umsetzung seines Plans, auf Kohle zu verzichten, verschieben müsste.

"Viele unsere Partner in Deutschland, die am Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum teilnehmen, schließen sich genau unserer Meinung, dass die Wirtschaft von der Politik getrennt werden sollte. Sie sind davon überzeugt, dass Nord Stream 2 abgeschlossen sein sollte. Erstens, weil es für Deutschland von Vorteil ist, und zweitens, weil Russland über die Jahrzehnte der Zusammenarbeit im Rohstoffsektor das Vertrauen seiner Partner bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen nie verspielt hat", fasste Litwinenko zusammen.

Bisher schein es so, dass Nord Stream 2 trotz allem fertiggestellt wird, jedoch ausschließlich auf Kosten und Ressourcen Russlands. Immerhin verließ am 4. März Rohrverleger "Akademik Tscherski" den deutschen Hafen Wismar, wo er etwa anderthalb Monate gewesen war, und fuhr nach Kaliningrad. Dort wird man eine Probefahrt unternehmen, danach kommt der Rohrverleger in der ausschließlichen Wirtschaftszone Dänemarks an, um einem anderen Schiff namens "Fortuna" beim Verlegen von Rohren zu helfen.