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Wird der Green Deal die deutsch-russische Partnerschaft zerstören?

Российско-Германский форум
© Форпост Северо-Запад

2019 beschloss die EU eine neue Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung, die darauf abzielt, bis Mitte des Jahrhunderts die CO2-Neutralität zu erreichen. Dies wird die Nachfrage von europäischen Ländern nach Kohle, Öl und Gas in weniger als 30 Jahren auf Null reduzieren. Ist das aber überhaupt möglich? Und wie werden Brüssels Pläne die Partnerschaft zwischen den Alten Welt und Russland verändern? Denn der Großteil unserer Exporte in die EU bilden genau Kohlenwasserstoffe und Produkte ihrer Verarbeitung.

Die Teilnehmer des 13. Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums, das eigentlich in Leipzig stattfinden sollen hätte, aber aufgrund der Coronavirus-Pandemie online durchgeführt wurde, suchten nach Antworten auf diese und andere Fragen. Russland wurde vom Stellvertretenden Ministerpräsidenten Alexander Nowak und vom Minister für Industrie und Handel Denis Manturow vertretet. Von deutscher Seite nahmen an dieser Konferenz Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier sowie Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller teil. Sie betonte die Notwendigkeit, Partnerschaft zwischen unseren Ländern aufzubauen, und bekundeten vor allem großes Interesse an der Fertigstellung des Baus von Nord Stream 2.

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Es scheint ein klarer Widerspruch zum neuen grünen Kurs zu sein, der allmähliche Verringerung der CO2-Emissionen vorsieht. Tatsächlich ist aber alles ziemlich logisch. Erdgas wird als "Übergangstechnologie" bezeichnet, denn es ermöglicht, auf "schmutzigere" Kohle zu verzichten und dann Emissionen schrittweise auf Null zu verringern. Gleichzeitig gab keiner der deutschen Delegierten eine klare Antwort auf die Frage, wann genau Europa den Höhepunkt der Methannachfrage überschreiten und darüber hinaus auf fossile Brennstoffe vollständig verzichten kann. Und das kann man verstehen – ein Programm vorzuschlagen und es zu verwirklichen, damit die Stromversorgung von Unternehmen und Haushalten zuverlässig und verfügbar bleibt, sind ganz verschiedene Sachen.

Aber was soll Russland tun? Wie können wir unsere Energiestrategie aufbauen und Energieexporte planen, wenn wir über das tatsächliche Niveau des Energieverbrauchs von unseren westlichen Partnern in Zukunft nichts wissen? Man diskutiert schon lange darüber, dass es für Moskau und Berlin von entscheidender Bedeutung ist, ein umfassendes Abkommen über die Zusammenarbeit im Brennstoff- und Energiebereich zu schließen, das unter anderem die voraussichtliche Nachfrage nach verschiedenen Arten von Rohstoffen in jeder Phase der Energiewende beinhalten würde. Bisher hat man leider aber keine Fortschritte in dieser Richtung gemacht.

Assistent des Leiters der Präsidialverwaltung der Russischen Föderation Kirill Molodzow beteiligte sich an der Podiumsdiskussion zum Thema "Europäischer Green Deal: seine Rolle und Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Russland" am Rande des Forums. Er betonte die Notwendigkeit, die heutige Situation zu verändern, und machte darauf aufmerksam, dass die deutsch-russische Partnerschaft seit über 50 Jahren besteht und sich immer als zuverlässig und gegenseitig vorteilhaft gezeigt hat. Dies wurde in vielerlei Hinsicht aufgrund der Vorhersehbarkeit beider Seiten und ihres Wunsches nach Dialog ermöglicht.

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"Wir sind es gewohnt, für unsere Worte verantwortlich zu sein. Und wir haben unser Wort immer gehalten. Hat die Europäische Union an der Lieferung russischer Primärrohstoffe und an der Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks Interesse, dann lassen Sie uns in dieser Richtung zusammenarbeiten. Bilden wir die Arbeitsgruppen und gründen wir die Unternehmen, um diese Agenda, u.a. die Einführung von CO2-Abscheidungstechnologien, in die Praxis umzusetzen. Und das Wichtigste ist, wir sollten die künftige Nachfrage nach Erdgas und anderen Mineralien genau bestimmen. Wie wird die globale Energiebilanz Europas und insbesondere Deutschlands in 10, 20, 50 Jahren aussehen? Russland ist bereit, die Stabilität und Zuverlässigkeit der Energieversorgung der EU im 21. Jahrhundert zu gewährleisten, aber dafür müssen wir wissen, was Sie in diesem Bereich erwarten", sagte Kirill Molodzow.

Das Recht, diese Frage zu beantworten, bekam Karen Pittel, Leiterin des Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen des ifo Instituts – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München. Eine der Aufgaben dieses Instituts besteht in der monatlicher Berechnung vom Geschäftsklimaindex in Deutschland. Sie betonte, die Beziehungen unserer Länder im Energiebereich "werden sich gewiss verändern ". Denn Europa "hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, was bedeutet, dass die Importe von Öl und Gas allmählich zurückgehen werden".

Питель
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"‌‌Russland erhält wirklich keine klaren Signale von der Europäischen Union, um zu entscheiden, auf welche Technologien in Zukunft zu setzen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die EU versucht, sich Russland zu entfremden, damit Russland sich (noch mehr) China zuwendet. Auf Importe können wir nicht verzichten. Eine andere Sache ist, dass wir heute über den Import von Erdgas sprechen und dann werden wir vielleicht auch an Wasserstoff interessiert. Wenn wir über die Geschwindigkeit der Energiewende sprechen und darüber, ob sie vollständig umgesetzt wird, hängt dies weitgehend von der Entwicklung innovativer Lösungen ab, die es uns ermöglichen sollen, so schnell wie möglich eine neuen Energieordnung zu erreichen. Ich meine zuallererst die Wasserstoff-Technologien. Kann aber Wasserstoff die Zuverlässigkeit der Stromversorgung sicherzustellen? Wird Atomkernenergie Teil unserer Energiebilanz bleiben? Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Aber wir müssen sie bald geben. Ich bin auf jeden Fall sicher, dass Russland weiterhin eine große Rolle in unserer Energiepolitik spielen wird, aber was genau es sein wird, weiß ich noch nicht"‌, sagte Frau Pittel.

Einer der Ideologen des Abschlusses des globalen Abkommens im Energiebereich zwischen unserem Land und Deutschland ist Rektor der Staatlichen Bergbau-Universität Sankt Petersburg, Ko-Vorsitzender des Forums von russischer Seite Wladimir Litwinenko. Er machte die Konferenzteilnehmer darauf aufmerksam, dass sich die Agenda hinsichtlich der Aussichten auf CO2-Neutralität vor Kurzem von der Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, auf die Forderung nach vollständigem Verzicht auf fossile Brennstoffe, darunter Erdgas, verlagert hat.

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Gleichzeitig weisen alle Prognosen eindeutig darauf hin, dass der Verbrauch von Öl und Methan noch viele Jahre weiter zunehmen wird. Dies bedeutet, dass die Menschheit nicht nur neue Windkraftanlagen und Sonnenkollektoren bauen soll, sondern auch Technologien einführen muss, die die Umweltverträglichkeit herkömmlicher Ressourcen erhöhen. Sonst gibt es Mitte des Jahrhunderts eine paradoxe Situation – die Nachfrage nach Öl und Gas wird hoch bleiben, aber die Gase bleiben trotz aller Bemühungen der internationalen Gemeinschaft umweltschädlich.

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"Man kann der Gesellschaft versprechen, möglichst schnell die Energiewende umzusetzen oder Wasserstoff als Ressource für globale Energie einzuführen. Gehen die Investitionen in die Prospektion und die Erschließung von Öl- und Gasfeldern zurück, wird es in der Realität nicht zur Verringerung der Emissionen führen, sondern zu einem Mangel an Elektrizität und auch dazu, das die Wärmekraftwerke auf die Innovationen zur Abscheidung von Treibhausgasen wegen unzureichender Finanzierung verzichten müssen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich die Hoffnungen vieler Menschen auf Wasserstoff nicht erfüllen denn es gibt viele technologische Probleme und es mangelt an wissenschaftlichen Fortschritten in diesem Bereich. Viele wissen nicht, dass es unmöglich ist, H2 anstelle von Methan in eine vorhandene Rohrleitung zu laden denn ein Molekül von Wasserstoff ist so klein, dass es in das Stahlkristallgitter eindringen und es relativ schnell zerstören kann, insbesondere die Schweißnähte. Niemand weiß genau, wann Wissenschaftler die Probleme des Transports und der Speicherung vom leichtesten Gas in der Natur lösen können und ob dies grundsätzlich möglich ist. Wie können wir dann vorhaben, Erdgas durch Wasserstoff zu ersetzen?" fragte Wladimir Litwinenko.

VNG-Vorstandsvorsitzender Ulf Heitmüller ist zuversichtlich, dass die Nachfrage nach Methan noch viele Jahre auf einem hohen Niveau bleiben wird. Er stimmte Peter Altmeier zu, der während der Eröffnungsfeier diese Ressource "Brückentechnologie" nannte. Heitmüller fügte hinzu, dass "dies eine sehr lange Brücke ist".

Хайтмюллер
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"Erdgas wird weiterhin eine wichtige Rolle in der europäischen und deutschen Energiebilanz spielen. Bis zum Jahre 2035 nehmen die Importe zu, denn der Vertrieb in der EU auf einem konstant hohen Niveau bleibt. Dazu wird allmählicher Verzicht auf Öl und Kohle beitragen, was für das Klima sehr wichtig ist. Darüber hinaus verringert sich kontinuierlich deren Abbau in der EU, und wir müssen dies irgendwie ausgleichen. Daher unterstützen wir alle Projekte, die die Gasversorgung nach Europa steigern sollen und die vor allem die Fertigstellung von Nord Stream 2 vorsehen. Was aber die weitentfernte Zukunft betrifft, wird die Rolle des Gases weiterhin von Bedeutung sein. Es besteht die Meinung, dass wir auf Gas nicht vollständig verzichten können, zumal die entsprechende Infrastruktur bereits aufgebaut wurde, was bedeutet, dass die Kosten dessen Abbau weiterhin relativ niedrig bleiben", betonte Heitmüller.

Gouverneurin des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen (Jugra) Natalja Komarowa, der in unserem Land eine führende Position in der Kohlenwasserstoffproduktion einnimmt, stimmte Wladimir Litwinenko zu, dass die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen schon viele Jahrzehnte auf einem sehr hohen Niveau bleiben wird. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, "den Abbau nicht zu reduzieren, da dies ein auf dem Markt äußerst gefragtes Produkt ist, sondern es effizienter zu verwenden und dabei Umweltschäden minimierende Technologien einzuführen".

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"Wladimir Putin hat wiederholt gesagt, dass Russland die Besorgnis über den Klimawandel teilt und für die Erfüllung seiner Verpflichtungen, von Menschen verursachte Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, verantwortlich ist. Das stimmt. In Jugra wurde beispielsweise eine Infrastruktur für Umweltbeobachtungen geschaffen − die Muchrino-Feldstation, die Teil eines europäischen Projekts ist. Wir laden deutsche Wissenschaftler ein, daran teilzunehmen", wandte sich Frau Komarowa an ihre deutschen Kollegen an.

Natürlich will man die anthropogenen Auswirkungen auf die Umwelt nicht nur aufgrund der Mode reduzieren, sondern auch weil es lebenswichtig ist, was man nicht bezweifelt. Darüber hat auch Stellvertretender Industrieminister der Russischen Föderation Wassili Osmakow gesprochen. Er erzählte den Diskussionsteilnehmern, wie man sich darum in Russland bemüht. Insbesondere sprach er über die Umsetzung des Programms, das auf die Umstellung auf die besten verfügbaren Technologien abzielt. Überdies stellte Osmakow fest, dass "die gesamte Branche und alle Investoren sich jetzt für die Umsetzung umweltfreundlicher Projekte und für die Verringerung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt einsetzen".

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"Die Diskussion darüber, welche Technologien als „grün“ angesehen werden können und welche nicht, ist noch nicht beendet. Für uns ist es äußerst wichtig, die Chance zu nutzen und gemeinsame internationale Standards in diesem Bereich zu entwickeln. Sonst wird der Außenhandel bald mit zahlreichen Problemen, die es in der heutigen Situation gibt, konfrontiert", betonte Stellvertretender Industrieminister.

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Während der Eröffnungsfeier des 13. Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums gab Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer zu, dass er er "tief beeindruckt war, wie intensiv man sich in Russland bemüht, um CO2-Emissionen zu reduzieren und grüne Technologien einzuführen". Er setzte sich auch dafür ein, die Nord Stream 2 Gaspipeline so bald wie möglich in Betrieb zu nehmen.