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Wladimir Litwinenko: die russische Energieindustrie muss umgehend saniert werden

Литвиненко
© Форпост Северо-Запад / Павел Долганов

Unter den wichtigsten Themen, die während der Sitzung des öffentlichen Rates des Energieministeriums besprochen wurde, war die vom Rektor der Staatlichen Bergbau-Universität Sankt Petersburg betonte Notwendigkeit, die Regulierung des Kraftstoff- und Energiesektors von der zentralen russischen Regierung zu verstärken. Eine Reihe von Medien interpretierte seine Worte sogar als Vorschlag, "einen Mega-Regulator" im Kraftstoff- und Energiesektor zu schaffen. Die "Forpost" Zeitung wandte sich an Wladimir Litwinenko, um Kommentare zu erhalten.

Kohlenwasserstoffe sind unsere Zukunft

Wladimir Litwinenko: Die Situation auf den Auslandsmärkten im Zusammenhang mit der heutigen Coronavirus-Pandemie ist alles andere als günstig. Die Weltwirtschaft stagniert. Dies wird jedoch nicht immer der Fall sein, und unabhängig von jemandes Versuchen, uns eine andere Meinung aufzuzwingen, verstehen die nationalen Regierungen aller führenden Länder der Welt, dass ihre weitere Entwicklung völlig auf ein verständliches und klares Energieversorgungssystem ankommt.

Dieses System basiert auf Kohlenwasserstoffen und das wird noch mehrere Jahrzehnte (zumindest) andauern. Daran besteht kein Zweifel, weil weder erneuerbare Energien noch Wasserstoff, über die jetzt so viel gesprochen wird, die Stabilität von Stromversorgungssystemen anhand moderner Technologien gewährleisten können. Und wissenschaftliche Durchbrüche in dieser Hinsicht sind auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

Gleichzeitig können die meisten postindustriellen oder großen Entwicklungsländer sich selbst mit der notwendigen Rohstoffen bzw. Energieressourcen nicht versorgen. Dies bedeutet, dass Russland Mechanismen entwickeln muss, die es uns ermöglichen, die Rolle eines der führenden Exporteure auf dem globalen Kohlenwasserstoffmarkt beizubehalten und die Stabilität des heimischen Kraftstoff- und Energiesektors zu garantieren.

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© gazprom-neft.ru

Das Problem ist, dass die staatliche Regulierung des Mineralressourcensektors heute zu wünschen übrig lässt. Es gibt kein einheitliches Zentrum in der Regierung, das solche Spielregeln entwickeln und überwachen könnte, die allen Marktteilnehmern klar wären. Verschiedene Sektoren, die die Basis für den Energiesektor bilden, werden von unterschiedlichen Ministerien und Behörden kontrolliert. Deren Koordination lässt oft zu wünschen übrig, da diese Ministerien vier verschiedenen stellvertretenden Ministerpräsidenten unterstehen. Dies behindert das Entscheidungstreffen, was wiederum auf das Zuwachs an Reserven, auf den Ausbeutefaktor bei der Erdölgewinnung und auf den Wirkungsgrad der Wärmekraftwerken negativ auswirkt.

Der Erfolg spezialisierter Unternehmen und der gesamten Branche hängt ausschließlich von den Handelsergebnissen ab. Je größer der Umsatz ist, desto besser. Ja, Finanzindikatoren sind natürlich sehr wichtig, aber vielsprechende Entwicklungsstrategien sind ebenso wichtig, denn sie tragen zur finanziellen Stabilität des Landes bei. Rohstoffe sind nicht nur eine Ware, sondern auch ein geopolitisches Instrument, das den staatlichen Interessen als auch den Interessen der Bevölkerung Russlands dient.

Hier möchte ich etwas erklären, um nicht missverstanden zu werden. Der Gegenstand der staatlichen Marktregulierung sollte nicht das Geschäft sein, sondern Mechanismen der strategischen Entwicklung. Deren Optimierung soll dazu beitragen, transparente Spielregeln zu schaffen, einen gesunden Wettbewerb zu fördern und ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu gewährleisten.

Probleme im Kraftstoff- und Energiesektor erfordern eine angemessene Zentralisierung

Inhalt fehlt.

Wladimir Litwinenko: Wir hätten schon vor langer Zeit neue Kompetenzen für die staatliche Regulierung unseres gesamten Rohstoffsektors schaffen und die entsprechenden Befugnisse einem einzigen stellvertretenden Ministerpräsidenten geben sollen. Wenn wir dies in naher Zukunft nicht tun, wird es unglaublich schwierig sein, auf die Herausforderungen der modernen Welt zu reagieren und zahlreiche Probleme zu lösen, die wie das Damoklesschwert über unserem Brennstoff- und Energiesektor schweben.

Es gibt wirklich viele Probleme, und man sollte auf die wichtigsten hinweisen. Darunter ist z. B. die Ausschöpfung der Reserven. In der Zeit der Sowjetunion gab es eine klare Regel: Für jede Tonne geförderte Bodenschätze musste man eineinhalb Tonne zurückgeben bzw. durch die Entdeckung von neuen Lagerstätten, um zu das erforderliche Förderungsvolumen für das Land bereitzustellen. Jetzt erfolgt die Rückgewinnung von Mineralressourcen hauptsächlich durch die intensivierte Prospektion der bestehenden Lagerstätten, denn die Unternehmen sind nicht motiviert, nach neuen Vorkommen zu suchen.

Infolgedessen könnte die Gewinnung von Öl, Gas und anderen Bodenschätzen zurückgehen, was zum deutlichen Verringerung der staatlichen Einnahmen führen würde. Um eine solche Situation zu verhindern, brauchen wir vertikale staatliche Regulierung. In diesem System brauchen wir auch eine Person, die für die Schaffung von solchen Mechanismen verantwortlich wäre, die Unternehmen dazu motivieren würden, in neue Vorkommen zu investieren und sie in Betrieb zu nehmen. Sonst würden wir weiterhin den westlichen Ideologie zuspielen, die darauf abzielt, einen Mythos über das Ende der Kohlenwasserstoff-Ära zu schaffen.

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© Форпост Северо-Запад

Ein weiteres großes Problem ist geringe Effizienz unserer Wärmekraftwerke, die 2-3-mal niedriger ist als in vielen europäischen Ländern. Jedes Jahr verlieren wir nur aufgrund unserer Nachlässigkeit und Rückständigkeit unserer Technologien etwa 100 Millionen Tonnen Standardkraftstoff. Unsere Technologien basieren auf der Zufuhr von Dampf durch Verbrennen von Kohle, Gas oder Heizöl in Kesseln zur Turbine. Und in Deutschland werden Rohstoffe beispielsweise in Spezialbrennern verbrannt, die auf Turbinenschaufeln einwirken. Dies trägt nicht nur zu erheblichen Einsparungen, sondern auch zur Verringerung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Um eine bestimmte Menge an Strom oder Wärme zu erzeugen, braucht man dank dieser Technologie nicht so viele Ressourcen zu verbrennen, was bedeutet, dass weniger Emissionen in die Atmosphäre freigesetzt werden.

Wenn man unsere Industriellen fragt, warum es unmöglich ist, eine solche Technologie in Russland einzuführen, antworten sie, dass wir Turbinen mit großem Durchmesser nicht herstellen können. Aber das ist keine Entschuldigung. Darüber hinaus braucht man gar keine Turbinen beim Umstellen auf lokale Erzeugungssysteme.

Offensichtlich ist es notwendig, die Gasifizierung des Landes fortzusetzen, um die lokalen Behörden und Unternehmen zu einer engeren Integration zu motivieren, damit die Bevölkerung Zugang zu einer umweltfreundlichen Ressource erhält. Andererseits verfügen Kemerowo und Workuta beispielsweise über riesige Kohlenreserven, und deswegen wäre es lächerlich, statt dieser Reserven einen anderen Rohstoff als Energiequelle für lokale Wärmekraftwerke einzusetzen.

Der Staat soll aber entsprechende Bedingungen schaffen, damit Energieingenieure an der Einführung moderner umweltfreundlicher Technologien interessiert wären. Darunter nennen wir z.B. die Verwendung von einer Kohle-Wasser-Suspension. Aber was könnte uns dazu antreiben, uns weiter zu entwickeln? Die Antwort auf diese Frage ist in vielen westlichen Ländern seit langem gefunden worden. Dort schlägt die Regulierungsbehörde eine Gesetzesinitiative vor, die strengere Emissionsstandards festlegt und sieht zusätzliche Besteuerung von Unternehmen, die gegen diese Standards verstoßen. Das ist eine sehr effektive Maßnahme, aber wir haben noch keine solchen Mechanismen eingeführt.

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Wir brauchen eine digitale Kontrolle über das System zur Herstellung und Vermarktung von Kohlenwasserstoffen und über die Tiefe ihrer Verarbeitung in Raffinerien. Es ist höchste Zeit für uns, Katalysatoren in Russland in solchen Mengen herzustellen, dass wir auf Importe in diesem Bereich verzichten könnten. Es ist ja ein strategisches Problem, das man viele Jahre lang überhaupt nicht lösen konnte. Und nur jetzt fängt man an, dieses Problem anzugehen.

Kurz gesagt, es gibt viele Probleme. Und um sie zu bewältigen, brauchen wir eine angemessene Zentralisierung bzw. eine Marktregulierungsbehörde, die über alle erforderlichen Befugnisse verfügt, um die Effizienz des russischen Mineralressourcensektors zu verbessern.

Expertenvorschläge

Wladimir Litwinenko: Experten auf dem Gebiet Mineralressourcenkomplex und Energie und haben eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet, die zur Steigerung der Brancheneffizienz beitragen könnten, sofern sich damit eine einzige Regulierungsbehörde beschäftigt. Die meisten Vorschläge betreffen die Entwicklung des Potenzials Westsibiriens, da die Lagerstätten in dieser Region Russlands auf dem globalen Kohlenwasserstoffmarkt über viele Jahre hinweg dominieren können.

Insbesondere wird vorgeschlagen, die dortigen Tiefenbeschränkungen für alle Lizenzen kostenlos aufzuheben. Man sollte ein Programm vom statigrafischen Bohren ausarbeiten, um den unteren Teil vom Tagebau des verteilten Bodenschatzfonds zu untersuchen und staatlich-private Finanzierung bereitzustellen. Es ist auch notwendig, am 1. Januar 2023 eine umfassende Bewertung der bestehenden Kohlenwasserstoffressourcen durchzuführen, wobei alle angesammelten Prospektionsdaten maximal genutzt werden.

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Daran sollen Großunternehmen wie Gazprom, Rosneft, Novatek, Lukoil, Surgutneftegaz und Gazprom Neft teilnehmen. Es ist auch notwendig, Pläne für die Entwicklung der Öl- und Gasvorkommen auszuarbeiten. Diese Pläne sollen die Rolle jedes einzelnen Vorkommens für die sozioökonomische Entwicklung Russlands bestimmen. Überdies sollte man Westsibirien einen besonderen Status verleihen, um seine Bedeutung für Russland im 21. Jahrhundert anzuerkennen.

Obwohl der arktische Schelf und die arktischen Lagerstätten derzeit nicht von großer Bedeutung sind, sollte man sie als vielsprechende Reserve für die Zukunft ansehen. Laut unseren Analysten sollte eine Reihe von Gasfeldern in unmittelbarer Nähe von der Nordseeroute für die Gewinnung vom Flüssigerdgas rechtlich bestimmt werden. Dieser Sektor wird sich sprunghaft entwickeln und nach dem Ende der Pandemie weiter um 6-8% pro Jahr anwachsen. Diese Prognose ist sehr konservativ, und die aktuelle Situation auf den asiatischen Märkten ist ein weiterer Beweis dafür. Die Kosten für eintausend Kubikmeter Gas haben heute einen Rekordwert von 370 US-Dollar erreicht. Trotz der Tatsache, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist und viele Staaten unter Quarantänebedingungen leben.

Wir müssen auch die Regulierungsdokumente überarbeiten, die das Funktionieren des Rohstoff- und Energiesektor regeln, damit diese Dokumente zur fortschreitenden Entwicklung vom Rohstoff- und Energiesektor beitragen. Es ist auch notwendig, die Verordnung über die staatliche Kommission für Reserven zu verändern, dieser Kommission einen abteilungsübergreifenden Status zu verleihen und ihr die Befugnisse zur staatlichen Kontrolle über die Nutzung von Bodenschätzen zu geben. Sie sollte direkt der Regierung unterstehen und für den Präsidenten einen Jahresbericht erstellen. Die Zentralkommission für die Entwicklung von Vorkommen sollte ein Instrument der Regierung sein, um das Fördervolumen und die Qualität der abgebauten Vorkommen zu regulieren.

Wir haben noch viel zu tun, aber zuerst sollte die Regierung ein vertikales Marktregulierungssystem schaffen. Heer. Andernfalls riskieren wir, unseren Status als einer der Weltmarkführer auf dem globalen Energiemarkt zu verlieren. Darüber hinaus werden die Spielregeln für uns immer ungünstiger. Ich meine die Sanktionen und Versuche westlicher Politiker, Kohlenwasserstoffe zu diskreditieren.

Es ist klar, dass die Losungen über die Notwendigkeit der Energiewende und der Erreichung von der CO2-Neutralität solchen Politikern zusätzliche Stimmen bringen. Obwohl sie wenig mit der tatsächlichen Lage zu tun haben. Die Welt wird jedoch immer wettbewerbsfähiger und wird uns sicherlich weiterhin auf die Probe stellen. Um diesem Druck standzuhalten, muss die russische Energieindustrie umgehend saniert werden.